1. Der Begriff der lexikalischen Variante bei der Übersetzung. Die Synonyme und ihre Verwendung im Übersetzungsprozess.
2. Die Übersetzung von Eigennamen, Realienbezeichnungen und geographischen Namen.
3. Die Wiedergabe der so genannten äquvalentlosen Lexik bei der Übersetzung.
1. Der Begriff der lexikalischen Variante bei der Übersetzung. Die Synonyme und ihre Verwendung im Übersetzungsprozess.
Die meisten Wörter einer Sprache sind mehrdeutig. Das schafft Schwierigkeiten für die Auswahl einer genauen Entsprechung bei der Übersetzung. Man darf dabei nie nur von einem Wörterbuch ausgehen. Die Praxis zeigt, dass es oft dazu kommt, dass als Entsprechungen Wörter verwendet werden, die in der jeweiligen konkreten Bedeutung von Wörterbüchern nicht immer erfasst sein können.
Genauso, wie Wörter, die unabhängig von ihrer unterschiedlichen Bedeutung ähnliche Lebenssituationen bezeichnen können, können auch Wörter die scheinbar sehr unterschiedlich sind, in einem großen Kontext ähnliche Funktionen haben. A.W. Fjodorow nennt solche Wörter und Wendungen parallele synonymische Mittel. Dieser Begriff ist am Anfang breiter als der der Synonyme.
Wörter, die vollkommen unterschiedliche Bedeutungen haben, aber im Kontext als parallele synonymische Mittel auftreten, bezeichnet man als lexikalische Varianten.
Die lexikalischen Varianten sind also jeweils auf eine grammatische Kategorie und die gleiche syntaktische Funktion des betreffenden Wortes beschränkt.
Die lexikalischen Varianten können durch verschiedene grammatische Ausdrucksvarianten realisiert werden (z.B. Wortgruppen einer Sprache können durch selbständige Sätze in der anderen Sprache wiedergegeben werden, aktive Formen durch Passivkonstruktionen usw.).
Bei der Auswahl der lexikalischen Varianten muss man auch der sprachlichen Tradition, dem Usus Rechnung tragen. Wichtig ist auch die Einstellung (Position) des Autors zu der behandelten Situation. Verfolgen wir die Übersetzung des folgenden Satzes:
Der dienst in der NVA beträgt zurzeit 18 Monate. | Служба в ННА составляет на настоящее время полтора года. |
Die in der russischen Sprache verwendete Wortgruppe „полтора года“ tritt als lexikalische Variante für „18 Monate“ auf, ihr Gebrauch ist durch die Tradition des Deutschen und des Russischen bedingt.
Bei der Übersetzung aus dem Russischen bereitet das Wort „товарищ“ gewisse Schwierigkeiten. Mit der direkten Entsprechung – „Genosse“ dürfen nur Parteimitglieder und Angehörige der NVA angeredet werden. Ansonsten verwendet man im Deutschen verschiedene lexikalische Varianten, wie z.B. „Kollege (n)“, „liebe Freunde“ usw.
Bekanntlich enthält jede Sprache sinnverwandte Wörter, oder Synonyme. Wörter mit ähnlicher Bedeutung bilden s y n o n y m i s c h e R e i h e n. Bei der Translation kommt es darauf an, genau festzustellen, welche Rolle dieses oder jenes Wort im Originaltext spielt, welche Schattierungen es aufweist und welche stilistische Funktionen es erfüllt. In einer synonymischen Reihe kann es Wörter geben, die fast gleiche Bedeutung haben, aber verschiedenen stilistischen Ebenen gehören, z.B.: „работать, творить и вкалывать – arbeiten, wirken und schuften usw. Einige Wörter können nur in bestimmten Wortverbindungen austauschbar sein, z.B.: stark, mächtig, kräftig; starker Mensch – сильный, крепкий человек, aber: starker Kaffee – nur „крепкий кофе“ (а не «сильный»).
Bei der Auswahl eines Wortes aus der bestimmten synonymischen Reihe muss man auch die Einstellung des Autors zu den beschriebenen Ereignissen oder Tatsachen berücksichtigen. Betrachten wir ein Beispiel, das S.J. Roganowa in ihrem Buch anführt:
Die Defensive ist der Tod eines bewaffneten Aufstandes…
(K. Marx, F. Engels. Revolution und Konterrevolution in Deutschland, S. 100).
Das Wort „der Aufstand“ hat im Russischen folgende Bedeutungen: восстание, бунт, мятеж. Im gegebenen Fall handelt es sich um einen organisierten geplanten Vorgang mit dem Ziel, die bestehende Gesellschaftsordnung zu stürzen. Dementsprechend wird in der russischen Übersetzungsvariante das Wort „восстание“ gebraucht:
Оборона есть смерть всякого вооруженного восстания…
(К.Маркс, Ф.Энгельс. Революция и контрреволюция в Германии, с. 100).
Für den richtigen Gebrauch eines Wortes aus der bestimmten synonymischen Reihe muss man bei der Übersetzung auch die nationalen Besonderheiten des Alltags des Volkes berücksichtigen, dessen Sprache im Originaltext gebraucht wird.
Betrachten wir die Übersetzung des folgenden Satzes:
Einige Institute dieser Hochschule haben direkte Verträge mit den Betrieben der Republik abgeschlossen. | Некоторые кафедры этого вуза заключили прямые договоры с предприятиями республики. |
Das Wort „Institut“ entspricht also im gegebenen fall dem deutschen Wort „Lehrstuhl“ und wurde bei der Übersetzung durch das russische „кафедра“ wiedergegeben. Oder ein anderes Beispiel:
Er hat ausgezeichnet geantwortet und bekam eine „Eins“. | Он отвечал отлично и получил оценку «пять». |
Die vorgeschlagene Variante der Übersetzung ist richtig, obwohl die eigentliche Bedeutung der Zahlwörter selbstverständlich nicht zusammenfällt.
2. Die Übersetzung von Eigennamen, Realienbezeichnungen und geographischen Namen.
Bei der Übersetzung von Eigennamen aus einer Sprache in eine andere muss man darauf achten, dass es verschiedene Abarten von solchen Namen gibt. Die Eigennamen werden eigentlich nie übersetze, sondern durch die Mittel einer anderen Sprache w i e d e r g e g e b e n.
Die meisten deutschen Eigennamen werden bei deren Wiedergabe im Russischen transliteriert oder transkribiert.
Die weiblichen deutschen Namen auf –e (Nachnamen) erhalten im Russischen die Endung –a: Else – Эльза, Renate – Рената usw.
Bei der Wiedergabe von männlichen Namen gelten auch die Transliteration und Transkription: Norbert – Норберт, Franz – Франц usw. Wenn es im Russischen ähnlich lautende Namen gibt, darf es keinesfalls als Anlass für die Verwendung solcher Namen für die entsprechenden deutschen Namen dienen. Zum Beispiel: Paul wird nur mit Пауль wiedergegeben und nicht mit Павел, Michael – durch Михаэль und nicht durch Михаил usw.
Man sollte auch der Tatsache Rechnung tragen, dass im Deutschen zahlreiche ausländische Eigennamen in ihrer originalen Schreibweise vorkommen können. Es sind englische, französische, griechische, spanische und andere Namen.
Die antiken Namen auf –o erhalten im Russischen –он: Plato – Платон, Nero – Нерон usw.
Die Namen, die aus anderen Sprachen kommen, werden ebenfalls transliteriert oder transkribiert. Es kommt dabei aber darauf an, genau festzustellen aus welcher Sprache sie sind. Zum Beispiel kann der Name Peter, wenn das ein deutscher Name ist, durch „Петер“ wiedergegeben werden. Handelt es sich dabei um einen englischen Namen, wird bei dessen Wiedergabe im Russischen „Питер“ gebraucht.
Bei der Wiedergabe von deutschen Eigennamen im Russischen spielt auch die Tradition eine wesentliche Rolle. So entspricht zum Beispiel dem Namen Heinrich Heine im Russischen Генрих Гейне. Traditionsgemäß wurde bis vor kurzem der Name Hans durch „Ганс“ wiedergegeben. In der letzten Zeit setzt sich aber die Tendenz durch, die Namen, die in der deutschen Sprache mit H beginnen, in der russischen Sprache nach den Regeln der Transkription wiederzugeben, also Hans durch Ханс, Heinrich durch Хайнрих usw.
Die Beinamen (прозвища) werden bei der Wiedergabe von Eigennamen in der Regel übersetzt: Karl der Große – «Карл великий», August der Starke – «Август Сильный» usw.
Die geographischen Namen werden bei deren Wiedergabe im Russischen transliteriert oder transkribiert: Berlin – Берлин, Schwarzwald – Шварцвальд usw. Die Tradition spielt dabei auch eine wichtige Rolle. So wird zum Beispiel Leipzig durch Лейпциг wiedergegeben.
Bei der Widergabe von Namen der Berge und Inseln werden im Russischen oft erklärende Wörter „горы“, „острова“ usw. gebraucht: die Appalachen – горы Аппалачи/ Аппалачинские горы, Antillen – Антильские острова.
Einige geographische Namen haben parallele Bezeichnungen, — die nationalen und die entsprechenden deutschen, was bei der Übersetzung auch zu berücksichtigen ist: Karlsbad und Karlovy Vary – Карлсбад и Карловы Вары, Danzig, Gdansk – Гданьск usw.
Die Namen von Straßen, Städten, Stadtbezirken usw. werden in der Regel auch transliteriert oder transkribiert: Meyerstraße – Майерштрассе, Alexanderplatz – Александрплатц usw. In einigen Fällen wird auch die eigentliche Übersetzung verwendet: der Siegesplatz – площадь победы, die Straße der Kosmonauten – улица Космонавтов usw.
Ebenfalls transliteriert oder transkribiert werden die Bezeichnungen von Banken, Firmen, Betrieben usw. Zum Beispiel: ORWO – „ОРВО“, General Motors – „дженерал Моторс”, IG Farbenindustrie – „ИГ Фарбениндустрие“ usw.
Wenn diese Bezeichnung den Namen enthält, nach dem sie benannt wurde, wird bei der Übersetzung ins Russische das Wort – имени zugesetzt: die Friedrich Schiller Universität Jena – университет имени Ф. Шиллера.
Bei der Übersetzung von Realienbezeichnungen muss man davon ausgehen, dass es Wörter oder Wortverbindungen sind, die Begriffe des Alltags oder nationalen Kolorits ausdrücken, die spezifisch für ein bestimmtes Land sind. Sprachforscher betonen, dass das Wort „Realien“ ein extralinguistischer Begriff ist. A.V.Fjodorow spricht in seiner „Einführung in die Übersetzungswissenschaft“ nicht von der Übersetzung von Realienbezeichnungen, sonder von deren W i e d e r g a b e in einer anderen Sprache.
In der Übersetzungstheorie sind 4 Möglichkeiten der Wiedergabe von Realienbezeichnungen bei der Übersetzung bekannt:
1. Transliteration oder Transkription
Durch dieses Verfahren sind viele russische und sowjetische Realien in anderen Sprachen verankert worden: совет – der Sowjet, колхоз – der Kolchos, спутник – der Sputnik usw.
Man unterscheidet zwischen vollständiger und teilweiser Transliteration, z.B.: der Berufsverbot – беруфсфербот (vollständige Transliteration)
der Bundestag – бундестаг (vollständige Transliteration)
aber: der Bürgermeister бургомистр (teilweise Transliteration)
2. Die Wiedergabe von Realienbezeichnungen durch Schaffung neuer Wörter, Wortgruppen oder Zusammensetzungen in der Zielsprache
Diese Methode bedeutet praktisch die Wiedergabe von Realien durch Umschreibungen:
Die Jugendweiche – обряд вступления молодежи во взрослую жизнь
Das „Molotow-Cocktail“ – бутылки с зажигательной смесью
3. Die Verwendung bei der Wiedergabe von Realienbezeichnungen von Wörtern oder Ausdrücken der Zielsprache, die zwar nicht ganz identische, aber ähnliche Begriffe ausdrücken.
Der Volkseigene Betrieb (VEB) – народное предприятие
Die landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) – сельскохозяйственный производственный кооператив usw.
3. Die verallgemeinernd — annähernde Übersetzung, bei der Einzelbegriffe der Sprache des Originals durch Gattungsbegriffe der Zielsprache wiedergegeben werden:
„Изба“ als einfach „Haus“; das Schreberhäuschen – als „дача“ usw.
4. Die Wiedergabe der so genannten äquivalentlosen Lexik bei der Übersetzung
Als äquivalentlos werden in der Übersetzungstheorie solche Wörter bezeichnet, die keine Äquivalente außerhalb der Sprache, zu der sie gehören, haben. Zur äquivalentlosen Lexik zählt man vor allem Wörter, die begriffe lokalen Charakters ausdrücken. Einigermaßen gehören dazu auch Realienbezeichnungen, die im Prinzip einmalig für ein bestimmtes Land sind. A.V.Fjodorow betrachtet als äquivalentlos auch einige wissenschaftliche Termini, die in der betreffenden Spracheabstrakte Begriffe zum Ausdruck bringen (z.B. ästhetische, philosophische, politische), bei deren Wiedergabe in einer anderen Sprache man auf wesentliche Schwierigkeiten stößt. So wird z.B. das russische Wort „идейность“nur ungefähr ins Deutsche durch die Zusammensetzung „der Ideengehalt“ (buchstäblich – „идейное содержание“) übersetzt. Der Begriff „партийность“ wurde ursprünglich als „Parteigeist“ wiedergegeben, später fand man eine genauere Entsprechung – „Parteilichkeit“.
Wenn ein Wort keine usuelle (d.h. feste) Entsprechung in der Zielsprache hat, werden Analoga unter den bekannten Wörtern ausgesucht oder gar neue Wörter geschaffen, die später zu festen Entsprechungen werden können.
Anders ausgedrückt, bedeutet das Fehlen von festen lexikalischen Entsprechungen für bestimmte Wörter keinesfalls die Unmöglichkeit ihrer sinngemäß genauen Wiedergabe durch die Mittel der Zielsprache. Äußerst wichtig ist dabei die genaue Analyse des Kontextes, in dem das Wort vorkommt.
Neben den Fällen, wo eine exakte, eindeutige Entsprechung fehlt, können in der Zielsprache auch so genannte „Scheinäquivalente“ auftauschen, die noch als „falsche Freunde des Übersetzers“ bezeichnet werden.